"Woher bekommst du deine Ideen?"
Harlan Ellison hat diese Frage immer mit "Schenectady." beantwortet.Auf die verblüfften Blicke seines Gegenübers hat er dann erklärt: "Es gibt da diesen Ideenladen in Schenectady, NY, und die senden mir mit schöner Regelmäßigkeit jede Woche ein neues Six-Pack an Ideen für gerade mal 25 Dollar."
Und nach jeder College-Vorlesung, in der er dies erzählt hat, kam immer irgendein armer Trottel zu ihm, um die Adresse des Ladens zu erfahren.
So einfach ist es leider nicht ...
Es ist nicht so, dass einem Autor die Ideen einfach so zufliegen.Und wir sind auch nicht so genial, dass wir einfach so die wildesten Geschichten oder die sofort funktionierenden Regeln aus dem Ärmel schütteln (also, ich zumindest nicht).
Und bevor du mich fragst: Nein, ich kenne die Adresse der deutschen Dependance des Ideenladens aus Schenectady leider auch nicht.
Bröckchen für Bröckchen
Stattdessen gehe ich mit offenen Augen und Ohren durchs Leben und sammle Bits, kleinste Stückchen an Informationen und Inspirationen.Das kann alles sein: ein Artikel aus einer Zeitschrift, in dem etwas Interessantes berichtet wird, ein Bild auf einer Website, ein Stück Musik, das Bilder oder Gefühle in meinem Kopf erschafft, eine Nachricht, die etwas in mir zum Klingen bringt, ein Podcast, bei dem sich manchmal nur ein Satz in meinem Gehörgang querstellt, ein Gespräch, bei dem ich plötzlich verstehe, wie das Gegenüber tickt.
Das Entscheidende ist dabei nicht, dass ich aktiv nach einer Idee suche, sondern dass ich es einfach geschehen lasse, mich inspirieren zu lassen.
Das Bit muss noch nicht relevant sein, es kann einfach nur ein Gefühl sein, ein Bild, ein Satz, eine Regelidee, ein Wunsch, etwas, das in deinem Kopf bleibt und wartet.
Gute Ideen brauchen Zeit
Diese Bits sind für sich selbst betrachtet noch nicht brauchbar.Nehmen wir verschiedene Wissensbröckchen zu Bayern, die sich bei mir angesammelt haben.
Irgendwann habe ich mal gelesen, dass König Ludwig II. möglicherweise nicht ganz zurechnungsfähig war (oder vielleicht doch?) und vorgeblich Selbstmord im Starnberger See beging. Interessant, aber erst einmal nicht allzu erhellend.
Ein Sissi-Film, in den ich zu Weihnachten reingezappt habe, brachte mich dazu, Elisabeth Amalie Eugenie, Herzogin in Bayern (so ihr richtiger Name), zu googlen, nur um dann festzustellen, dass Ludwig II. mit ihrer Schwester verlobt war. Ein weiteres Bit zu Bayern, sogar mit einer Verbindung zu einem schon vorhandenen Bröckchen.
Ein Urlaub in unserem südlichsten Bundesland ließ mich an einem Schild vorbeifahren, das auf die Klosterbibliothek Metten verwies, deren Geschichte sich über viele Jahrhunderte spannte (leider konnte ich sie nicht besuchen, da ich mit zwei Kindern unterwegs war, die nach dem Urlaub einfach nur noch nach Hause wollten). Ich fragte mich sofort, ob nicht irgendwelche geheimnisvollen Dokumente hier dereinst gelagert haben.
Irgendwann blieb ich dann im Fernsehen bei einer Doku über die Entstehung des deutschen Kaiserreiches hängen, und ich erfuhr, dass mehrere Kriege dafür mitverantwortlich waren, unter anderem der Deutsche Krieg von 1866, bei dem Bayern als Verbündeter Österreich-Ungarns den Preußen unterlag.
Ein Radio-Feature brachte mir dann noch die teilweise absurde Schlossbau-Tätigkeit des bayrischen Märchenkönigs nahe.
Und ein Zeitungsartikel berichtete von den abgelegenen Dörfern in Franken, in denen es auch in unserer hochtechnisierten Zeit praktisch keinen Handyempfang und kein Internet gibt.
Vermutlich wären mir all diese Dinge niemals aufgefallen oder im Gedächtnis geblieben, wenn ich nicht irgendwann damit begonnen hätte, mehr oder weniger aktiv nach Dingen zu suchen, die etwas mit Bayern zu tun hatten.
Irgendwann macht es "Klick!"
Ich bin noch nicht so weit, dass ich weiß, was ich aus diesen Informationen machen kann.Aber sie dümpeln zusammen mit Tausenden anderer Bits in meinem Kopf herum.
Sie befinden sich auch in Dokumenten auf meinem Rechner oder in Sprachmemos auf meinem iPod, aber der wichtige Punkt ist, dass ich zumindest die groben Ideen in meinem Kopf habe, damit sie dort arbeiten und sich mit anderen Dingen neu verbinden können. Sie tauchen plötzlich auf, wenn ich gerade etwas ganz anderes höre, wenn ein neues Bit in meinem Kopf auftaucht und sich seinen Platz im Gefüge meiner Gedanken sucht.
Und irgendwann passiert es dann: der eine Gedanke taucht auf, der alles in meinem Kopf an den richtigen Platz fallen lässt, und die Zahnräder beginnen sich zu drehen. Aus den vielen kleinen Stückchen ist ein größeres Ganzes geworden.
Jetzt geht es darum, diese Dinge weiter zu entwickeln.
Doch das ist eine andere Frage, und sie soll ein anderes Mal beantwortet werden.
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