Dienstag, 18. Oktober 2016

SPIEL '16... das war's schon?

Wieder einmal haben sich die Spieler der Welt in Essen versammelt, um für vier Tage die Realität hinter sich zu lassen und die Rolle von Piraten, Schatzjägern, Detektiven, Baumeistern oder tausend anderen Spielfiguren zu übernehmen.
Was kann man zur SPIEL dieses Jahr sagen? 

Größe

Letztes Jahr waren es vier Hallen, die Galeria und ein bisschen; dieses Jahr brauchten die Veranstalter schon neben der Galeria fünf komplette Hallen und einen Großteil der guten alten Halle 6, um alle Aussteller unterzubringen.
1.025 Aussteller und über 1.200 Neuheiten brauchen halt Platz. Und sie brauchen viele Erklärer, was sicherlich auch dazu beigetragen hat, dass man an manchen Ständen in diesem Jahr ein wenig professionelles und stellenweise fast demotiveirtes Auftreten des Standpersonals beobachten musste. Glücklicherweise waren dies noch Ausnahmen, aber es war schon auffällig.

In vier Tagen haben insgesamt 174.000 mehr oder weniger Verrückte die Gelegenheit genutzt, um sich über die neusten Spiele zu informieren und sie natürlich auch auszuprobieren.
Leider waren das neue Parksystem und die chaotischen Verhältnisse im baustellen-verseuchten Essen diesem Ansturm nicht gewachsen, so dass es nicht nur an den Kassen und Eingängen zu langen Rückstaus kam, sondern auch die ankommenden Aussteller, Besucher und Pressevertreter viel Zeit beim Stehen auf der Straße verbrachten.
Und wenn ich Berichten einiger Besucher glauben kann, musste auch der öffentliche Nahverkehr so manchen Fahrgast auf dem Bahnsteig stehen lassen, weil die Wagen so überfüllt waren, dass niemand mehr hinein passte.

Internationalität

Die Internationalen Spieltage werden ihrem Namen immer gerechter.
Die Aussteller kommen inzwischen aus 60 Ländern, und vor allem in den "hinteren" Hallen wird Englisch (mit den verschiedensten Akzenten) mehr und mehr zur Messesprache. Dies führte mehr als einmal dazu, dass mehrere Deutsche an einem Tisch sitzen und auf Englisch spielen, obwohl auch ihr "Erklärbär" Deutscher ist, man dies jedoch erst nach dem Ende der Runde bemerkt.

Die Spiele hingegen erscheinen inzwischen sehr häufig sofort mit deutschen Regeln oder gleich in einer komplett eingedeutschten Version, mit deutschen Kartentexten usw.
Man muss inzwischen schon gewiefter Messebesucher sein oder viel Glück haben, um herauszufinden, ob das Spiel, das man gerade in der englischen Version bei Verlag-X gespielt hat, nicht auch bei Verlag-Y in einer ganz anderen Halle in Deutsch vorliegt.
Vor allem bei internationalen Co-Produktionen ist das Lizenz-Gewirr kaum noch zu entschlüsseln, so dass manche englisch-sprachige Neuheit sich plötzlich als Spiel herausstellt, das auf dem deutschen Markt schon lange erhältlich ist.

Doch der schönste Teil dieser Internationalität ist sicher, dass man oft mit Franzosen, Japanern, Italienern, Russen, Rumänen, Amerikanern, Finnen und vielen anderen Nationalitäten an einem Tisch sitzt und einfach nur Spaß hat.
Man trifft Leute aus der ganzen Welt wieder, mit denen man letztes Jahr den Tisch geteilt hat, gibt sich gegenseitig Tipps oder unterhält sich einfach ein paar Minuten. Obwohl man sich nur für diese paar Minuten einmal im Jahr sieht, ist die Nähe groß genug, um sich sofort freundschaftlich verbunden zu fühlen.

Diebesbanden?

Viel weniger freundlich waren in diesem Jahr die Gerüchte, dass organisierte Diebesbanden sich in die Messe eingeschlichen hatten. So sollen viele Taschen und Rucksäcke verschwunden sein, Tablets und Kameras wurden ebenfalls Opfer der Diebe.
Am schlimmsten traf es den Verlag Ludicreations, dem am Samstag alle Einnahmen des Tages gestohlen wurden. Sie nahmen dies zum Anlass, ein Spiel darüber zu schreiben und einen Blitz-Kickstarter einzurichten, um den Verlust wieder abzufangen (wer ihnen also helfen möchte, darf sich gerne dorthin wenden).

Auf der anderen Seite gab es auch wieder genug Beispiele, wo verlorene Gegenstände von anderen Spielern ihren Eigentümern hinterher getragen wurden. Hoffentlich können wir also davon ausgehen, dass es sich wirklich um "Professionelle" handelt, die hier ihrem miesen Geschäft nachgehen, und nicht um fehlgeleitete Spieler. Zumindest möchte ich das gerne glauben.

Trends

Der Trend der Messe waren wohl Escape-Rooms, die man an mindestens vier Ständen erleben und auch erwerben konnte; die Bandbreite reichte dabei vom 12-Euro-Spiel bei KOSMOS bis zum Spielesystem für 50 Euro bei Noris, das vier Spiele enthielt.

Auch Legacy-Spiele gab es an vielen Stellen zu bewundern. Dabei handelt es sich um Spiele, die man häufig nur einmal spielen kann, da vorhandenes Material  beklebt, beschriftet oder gar zerstört werden muss, die dafür aber für viele Stunden Spaß reichen. Ich gebe zu, ich kann mit diesem Trend nichts anfangen, da ich einfach kein Spielmaterial unbrauchbar machen möchte, aber viele andere sind von diesem Trend, der im vergangenen Jahr aufkam, immer noch begeistert.

Ansonsten gab es eine starke Konzentration der Verlage auf entweder komplexe Spiele mit Regelbüchern vom gefühlten Umfang des Bürgerlichen Gesetzbuchs oder aber ganz einfache Spiele, die mit wenigen Minuten Erklärzeit und unter einer halben Stunde Spielzeit auskommen. Hier zeigt sich eine deutliche Differenzierung in der Szene, wobei jeder immer noch "sein" Spiel finden kann.

Beute!


Das obige Foto zeigt die Spiele, die ich von der Messe mit nach Hause gebracht habe, einige davon aus vorab finanzierten Kickstartern, andere als Rezensionsexemplare, aber die meisten (leider) als Ergebnis eines ungeahnten Kaufrauschs, der mich wieder einmal vor allem zu den kleineren Vertretern der Szene geführt hat.
Im Rollenspielbereich habe ich mich diesmal nicht ganz so ausgetobt, doch da wird in nächster Zeit sicherlich noch die eine oder andere Neuigkeit hinzukommen.
Ach ja, und falls ihr euch fragt, was die Tüte auf der linken Seite bedeutet: sollte meine Frau irgendwann dieses Foto sehen (Gott bewahre!), dann soll sie nicht erfahren, was sich darin befindet (zumindest nicht vor Weihnachten).

Fazit

Die SPIEL ist immer das absolute Highlight meines Nerd-Jahres, ein viertägiger Ausflug in eine andere Welt, die dann plötzlich um so vieles realer, wichtiger und wirklicher erscheint als der alltägliche Wahnsinn. Und dann ganz plötzlich, kaum dass sie begonnen hat, ist sie auch schon wieder vorbei.
Nur so ist es auch zu erklären, dass ich meinem Körper diese Strapaze jedes Jahr aufs Neues zumute und mich dann auch noch so gut dabei fühle, dass ich alle Schmerzen im Rücken und den Füßen und alle Hetze mit Begeisterung auf mich nehme.

Und von daher freue ich mich jetzt schon auf den 26. bis 29. Oktober 2017, wenn Essen wieder zum Mekka der Spielenden aus aller Welt wird.
Vielleicht sehen wir uns ja dort? Ich würde mich freuen!