Fortsetzung der Erzählung von nurderTim (Übersicht unter Lovecraftesque - Das Blogspiel)
"Lass uns essen gehen!"
Mitschnitt der Therapiesitzung von
Hermann Wagner, Patient der Abteilung Psychiatrie und Psychotherapeutische
Medizin im Krankenhaus St. Vinzenz, Zams, Österreich, 1. Mai 2019
Behandelnder Arzt: Prim. Univ.-Doz.
Dr. Martin Kurz
Also, Hermann...
Bitte, nennen Sie mich Harma.
Na gut. Harma, erzählen Sie mir bitte nochmal, wie
sich die Situation mit Raphael Duchamps entwickelt hat. Von Anfang an.
Ich habe auf ihn gewartet. Ich wusste, dass er kommen
würde.
Woher wussten Sie das?
Ich wusste es von den Zeichen an den Wänden. Das
Flüstern aus den Bergen sprach von ihm. Das Licht der Nacht trug sein Aussehen
zu mir. Die Träume zeigten mir sein Gesicht. Alles, einfach alles kündigte ihn
an.
Aha. Und als er dann den Berg herunter kam?
Ich hatte ein Feuer gemacht, damit er mich findet. Mit
feuchtem Holz und vielen Kräutern, damit Rauch aufsteigt. So hat er mich
gefunden.
Er tat so, als wüsste er nicht, was ihn erwartet, doch
mir war klar, das war nur ein Teil der Prüfung, die er mir auferlegte, um zu
erkennen, ob ich würdig bin, diesen Weg mit ihm zu gehen.
Waren Sie denn würdig?
Ich ... weiß es nicht ... ich hoffe, ich habe ihn
nicht enttäuscht.
[Patient schweigt, blickt zur Seite, murmelt]
Es ist so viel passiert, Dinge, die ich nicht erwartet
habe, die nur er wusste.
Wie ging es dann weiter?
Ich habe mich ihm unterworfen, seiner Macht, seinem
Strahlen.
Ich musste ihn in die wahre Hexenhöhle geleiten, in die
Heilige Höhle, die sich nur einmal im Jahr öffnet.
Doch als ich ihm das sagte, fragte er nur: "Gibt's
da dann was zu essen?"
Er wollte essen?
Er hatte Hunger, einen Bärenhunger, sagte er, und dann
kicherte er. Er sog den Rauch des Feuers ein, ganz tief, und er hat danach
nicht einmal gehustet.
„Das riecht nach Barbecue“, meinte er nur und kicherte
noch mehr.
Danach sind Sie den Berg hinaufgegangen.
Ja, ich habe ihn geführt. Ich wusste ja, wo er hin
wollte: in die heilige Höhle. Wir gingen an den anderen Tunneleingängen vorbei,
die er kannte, die wir alle kannten.
Ich wusste ja, dass des nicht um diese Höhlen ging,
dass sie nur ein Abklatsch waren, ein Trugbild, das die wahre Natur der Dinge
verschleiert.
Was ist die wahre Natur der Dinge?
Es ist ein Spiel. DAS Spiel. Wir Menschen sind
Statisten, Spielfiguren, die hin und her geschoben werden, von Mächten jenseits
unserer Vorstellung. Und jeder übernimmt nur seine Rolle darin, ob er nun will
oder nicht.
Und was ist Ihre Rolle, Harma?
Ich war der Diener des Auserwählten, der Bewahrer des
Rituals, derjenige, der die Dinge dorthin gebracht hat, wo sie benötigt wurden.
Die Dinge?
Die Robe des Hohepriesters, den Opferdolch, die
Tinktur ... und den Auserwählten.
Hat der Auserwählte Sie freiwillig begleitet?
Ja, natürlich. Er sagte noch: „Lass uns essen gehen!“
Er wusste, was ihn erwartete. Er war der Auserwählte,
der für das Kommen des Herrschers sorgt.
Das Kommen des Herrschers? Welches Herrschers?
[schreit]
Haben Sie mir nicht zugehört? Des Herrschers, der uns
alle beherrscht, der uns bewegt, der uns erschafft, der uns zerstört! Mich,
Sie, die da draußen! ALLE!
Ruhig, Harma! Es gibt keinen Grund, wütend zu werden.
Wenn Sie mir nicht zuhören ...
Ich höre Ihnen ja zu. Was musste der Auserwählte denn
tun, was war seine Rolle?
Er war der Rufer. Das habe ich erkannt. Nicht ich, wie
ich zuvor dachte. Ich bildete mir etwas ein, überschätzte den Plan des
Herrschers für mich. Ich war dumm und eitel.
Der Bewahrer, das war meine Rolle im großen Plan.
Der Rufer war ein anderer. Es war der Fremde. Der
Auserwählte.
Wo sind Sie dann hingegangen, Sie und der Auserwählte?
Hinauf auf die Mittagsspitze, dorthin, wo die Nebel
sich sammeln.
Ich nahm die Gerüche wahr, die den Herrscher und seine
Macht ankündigen. Sie lagen im Nebel, bedeckten uns mit seiner Segnung.
Waren Sie allein, Sie beide?
In der Nähe des Herrschers ist man nie allein. Wir
sahen sie in den Nebeln, wie sie auftauchten und wieder verschwanden. Schatten ...
Wahnbilder ... Schemen ... sie kamen hervor und vergingen wieder. Doch wir
konnten sie hören, riechen ... schmecken ... ja, sie lagen auf unseren Gaumen
wie die köstlichsten Speisen ... doch der Appetit des Rufers war nicht gestillt.
„Wann gibt’s was zu essen? Ich habe Hunger!“
Dann lag die Höhle plötzlich vor uns. Die Nebel
verschwanden, und der Berg löste sich auf, gab den Weg frei in das Zentrum der
Macht.
Sie meinen, oben auf der
Wetterspitze?
Natürlich. An dem Ort, den die Bilder und die Stimmen
und die Lichter und die Träume mir offenbart hatten. Nachdem ich sie endlich
durchschaut hatte.
Harma, an dem Ort, den Sie uns genannt
haben, ist nichts zu sehen außer steinhartem Fels. So weit oben gibt es keine
Höhlen.
[kichert]
Sie werden diesen Ort nie finden. So wie alle anderen,
die keine Rolle im großen Plan spielen.
Ich war ein Teil des Plans, ich wusste, was zu tun
war. Ich umfasste den Griff des Dolches unter meiner Robe, tastete nach der
Tinktur. Alles war bereit.
Der Auserwählte ging voraus, unter die schmelzenden
Felsen, die wabernden Gänge entlang, hinunter in die Tiefe des Berges ... und
ich roch ... ich roch den Beginn vom Ende ... welch köstliches Aroma ...
Anmerkung des behandelnden Arztes:
An dieser Stelle versank der Patient in Schweigen und
war nicht wieder zur Mitarbeit zu bewegen. Die Therapie wird zu einem späteren
Zeitpunkt fortgesetzt.
Neuer Charakterzug des Protagonisten
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Neuer Nebenschauplatz
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Hinweis
Bewahrer des
Rituals
Ort des Finalen Horrors
Die wahre
Hexenhöhle
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