Ich bin seit meiner Kindheit ein Fan von Hörspielen.
Hui Buh,
Commander Perkins und
Winnetou haben mich über viele Jahre begleitet und auch meine Eltern immer wieder am frühen Sonntagmorgen erfreut... oft in ohrenbetäubender Lautstärke.
Später kamen dann noch Hörbücher dazu, als praktikable Alternative in einer Zeit, in der ich nur selten zum Lesen komme.
Von daher hätte ich eigentlich schon lange zur
HÖRMICH fahren müssen, der meines Wissens einzigen Convention/Messe mit diesem Schwerpunkt.
Seit 2013 laden die Veranstalter zu diesem eintägigen Event in das Herz Hannovers ein, in diesem Jahr zusammen mit den Partnern
Pop.de, dem
Ronin Hörverlag,
Radio Hannover und dem
Kulturzentrum Pavillon. 40 Aussteller und ein ganztägiges Bühnenprogramm sollen außerdem dafür sorgen, dass die Fans genug zu tun haben.
Der erste Eindruck
Nach einer längeren Bahnfahrt aus dem Rheinland konnte ich den
Pavillon vom Hauptbahnhof aus innerhalb weniger Minuten erreichen.
Obwohl die Veranstaltung offiziell erst um 11:00 Uhr startete, war es doch schon um 10:50 Uhr möglich, ins Innere zu gelangen. Und das hatten auch schon viele Leute getan, denn es war bereits rappelvoll.
Auffällig war sofort der hohe Anteil an Blinden und Sehbehinderten, die man wohl auf einer solchen Veranstaltung erwarten konnte. Es gab aber auch viele Rollstuhlfahrer, die einem jedoch teilweise leidtaten, da es doch verflucht eng zuging.
Nach kurzer Zeit war ich fast so weit, dass ich schnell noch ein paar CDs an mich raffen und die Flucht ergreifen wollte, doch zum Glück blieb ich dann doch vor Ort.
Location und Aussteller
Eine erste Runde durch den Veranstaltungsort zeigte, dass dieser kleiner als erwartet war. Das Foyer des
Pavillons
und ein Raum von der Größe eines typischen Gemeindesaals boten
den Ausstellern gerade noch genug Platz für ihre Tische. Oft genug hing man in einem schmalen Gang
fest, weil sich andere Besucher darin unterhielten und so den Weg verstopften.
Zwei kleinere Nebenräume waren von
Northern Outpost,
einer Hannoveraner Gruppe von Star-Wars-Fans mit teilweise
hervorragenden Outfits, einer
Ghostbusters-Truppe und einem Sonderbereich für "Masters of the
Universe"-Anhänger belegt.
Der große Saal, in dem sich das Bühnen- und Abendprogramm abspielte, war dann aber deutlich größer und mit einigen Hundert Sitzplätzen ausgestattet.
Eine Runde durch die Veranstaltung, bei der man an jedem Stand vorbeikam, war also in einer guten halben Stunde zu schaffen, doch natürlich ging es nicht darum.
Der unbedarfte Erstbesucher (so wie ich einer war) traf hier an jeder Ecke auf einen ihm unbekannten Hörspiel-Produzenten. Hier waren nicht die Giganten der Szene wie
Europa,
Maritim,
Folgenreich oder
Audible vor Ort; hier fand man vom Ein-Mann-Projekt bis hin zum mittelgroßen Label die "Kleinen", die Leute, die gemeinhin mit viel Elan und aus der Liebe für das Produkt "Hörspiel" oder "Hörbuch" heraus agieren, ohne dass dabei die Qualität auf der Strecke bleibt.
An dieser Stelle möchte ich darum eine zugegebenermaßen extrem verkürzte und ebenso persönlich gefärbte Liste der Aussteller in alphabetischer Reihenfolge präsentieren (ich weiß, dass ich einige interessante Labels bestimmt vergessen habe und entschuldige mich jetzt schon bei den Betroffenen):
- Bei Anomalia handelte es sich um ein Science-Fiction-Hörspiel über Jugendliche, die durch Parallelwelten reisen.
- DreamLand Productions traten unter anderem mit ihren Reihen Dreamland Grusel und Tony Ballard sowie dem herrlich absurden Action-Hörspiel Miami Boys auf
- Hoerspielprojekt.de bieten kostenlose Hörspiele, die man hier ausnahmsweise gegen eine freiwillige Spende auf CD erwerben konnte.
- Lindenblatt Records hatten unter anderem die Vorpremiere von Tyrann aus der Tiefe, der zweiten Folge von Wolfgang Hohlbeins Der Hexer von Salem, zu bieten.
- Ohrenkneifer boten neben ihrem Back-Katalog die Neuheit Der letzte Tag der Schöpfung und am Abend ein spontanes Akustik-Konzert am Stand, außerdem erhielten sie für ihre Hörspiele Roch und Die 5 von Terra den Preis als bestes Hörspiel 2018 vom Forum Hörspieltalk.
- Der PIDAX – Film- & Hörspielverlag bot eine kaum übersehbare Masse an Radio-Hörspielen auf mp3-CD.
- Pop.de – Dein Hörspiel-Shop hatte teilweise grandiose Angebote für den Fan zu bieten.
- Mit der TOS Hörfabrik stellte sich außerdem noch ein Verlag mit interessantem Hintergrund vor, denn die Macher sind bekennende Christen und wollen ihren Glauben auch in ihre Produkte einfließen lassen.
Angenehm fiel dabei auf, dass praktisch jeder Stand auch gerne bereit war, sich mit den Kunden zu unterhalten. Da wurden stundenlang Hörspiele, Inhalte und Produktionsweisen erklärt, es wurde wild über die Qualität der einzelnen Folgen diskutiert, und so mancher hoffnungsvolle Autor, Zeichner oder Sprecher wurde bei den Verlagen vorstellig.
Wem bei all dem der Hunger oder Durst packte oder wer für ein längeres Gespräch einen besseren Rahmen suchte, für den war ebenfalls gesorgt. Neben der kleinen Theke im Pavillon selbst gab es noch das im gleichen Gebäude liegende
Café Mezzo, das mit einem schmackhaften Angebot vom Frühstück (bis 16:00 Uhr!) über Kaffee und Kuchen bis hin zum vollwertigen Essen zu absolut angemessenen Preisen aufwarten konnte.
Das Bühnenprogramm
Um 11:00 Uhr startete mit der offiziellen Eröffnung der Veranstaltung das Bühnenprogramm im Großen Saal, der eigentlich eher ein Theater mit erhöhten Sitzreihen war. Wer hier einem längeren Programmpunkt beiwohnte, merkte bald, dass die Sitzplätze (die irgendwie an ein Stadion erinnerten) auf Dauer erschreckend unbequem wurden. Dies wurde besonders am Abend deutlich, als das Abendprogramm den eigenen Hintern fast zwei Stunden auf diesen Platz fesselte.
Im Laufe des Tages gab es hier mit jeweils nur 15 Minuten Pause Programmpunkte vom Live-Hörspiel über die Podiumsdiskussion bis zur launigen Weltmeisterschaft im Bleistift-Kassetten-Spulen (eine Disziplin, die wohl nur Leuten etwas sagt, die mit dem Haupttonträger der Achtziger groß geworden sind).
Ich selbst war vor allem zu den Diskussionsrunden bzw. Präsentationen anwesend, und es war interessant, wie viel man hier über die Produktion von Hörspielen, aber auch über die Gedanken der Macher erfuhr. Ich habe auf jeden Fall zu einigen Leuten und ihren Labels ein ganz anderes Verhältnis entwickelt und einige interessante Dinge aufgetan, über die ich sicherlich noch berichten werde.
Das Abendprogramm
Nach einer abendlichen Pause von 90 Minuten, die ich mit einem gemütlichen Essen im bereits erwähnten
Café Mezzo und einem Besuch in meinem Hotel verbrachte, begann das Abendprogramm. Dieses war übrigens nicht Teil des eigentlichen Eintrittspreises, sondern konnte für 10,00 € separat besucht oder in einem preisgünstigen Kombi-Ticket gebucht werden.
Das Live-Hörspiel
Nicci & Vicci und das Karpatenkalb, präsentiert von der Truppe des
hr2-RadioLiveTheaters, stand auf dem Programm.
Und OH MEIN GOTT, war das eine teilweise schon schmerzhafte Ansammlung von 80er-Jahre- und Hörspiel-Anspielungen und Kalauern! Und ein Heidenspaß!
Schon der erste Einspieler, in dem die drei Fragezeichen (oder zumindest deren Sprecher) einen Zugüberfall durchführten, zeigte, dass hier mit viel Liebe zum Detail, aber auch Sinn für Unsinn vorgegangen wurde.
Und die nun folgende Musical-Nummer, in der die beiden Hauptpersonen Nicci & Vicci ihre eigene Titelmelodie darboten, zeigte den Weg, den die Ereignisse in den folgenden knapp zwei Stunden nehmen würden.
Viel überbordende Komik, immer wieder eingestreute Musik- und Tanz-Nummern, absurde Pseudo-Kostüme, um die Charaktere zu unterscheiden, und nicht zuletzt bekannte Gast-Stimmen wie Santiago "Spongebob" Ziesmer und Hans-Georg Panczak (die deutsche Stimme von Luke Skywalker) machten den Auftritt des
hr2-RadioLiveTheaters zu einem Vergnügen für diejenigen Anwesenden, die bereit waren, sich auf das verrückte Spiel mit dem Hörspiel einzulassen.
Einige entspannte Gespräche im Foyer mit verschiedenen Leuten, die ich im Laufe des Tages kennengelernt hatte, beendeten einen ereignisreichen Tag.
Fazit
Obwohl auf der
HÖRMICH viele Stände und Labels hervorragende Angebote machten, ist dies keine Veranstaltung, die man anfährt, um Angebote abzugrasen. Dafür ist der Eintrittspreis mit 10,00 € zu hoch, vor allem, wenn man noch eine längere Anfahrt und möglicherweise eine Hotelübernachtung mit einrechnet. Selbst das Kombiticket inklusive des Abendprogramms für 15,00 € reißt es da nicht raus.
Nein, die
HÖRMICH ist eine Veranstaltung für Menschen, die das Medium Hörspiel oder auch Hörbuch lieben und sich auch dafür interessieren, wie es hinter den Kulissen aussieht, die das Bühnenprogramm mitnehmen und sich mit den Machern hinter den CDs unterhalten wollen.
Und wenn man dann schon mal da ist, kann man auch all die günstigen Angebote einsacken und dann später versuchen, die riesige Tüte mit der Messe-Beute an der Ehefrau vorbei zu schummeln ("Was? Das? Äh... schmutzige Wäsche, Schatz, sonst nichts... wie, ich soll das auspacken? Och Menno...").
Vor der Veranstaltung hieß es übrigens, es handele sich um die letzte
HÖRMICH in der vorliegenden Form, doch zum Glück haben sich die Macher eines anderen besonnen und wollen beim bisherigen Format bleiben, wenn auch möglicherweise an einem anderen Veranstaltungsort.
Und auch wenn ich als
NICHT-Fan von
TKKG und den
Drei ??? scheinbar ein seltsamer und oft bestaunter Exot in diesem Umfeld bin, kann ich nur sagen: Haltet mir bitte einen Platz auf der nächsten Veranstaltung frei!